März 2009

090316

ENERGIE-CHRONIK


Ehemaliger EnBW-Chef kann den Hals nicht voll genug kriegen

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Energie Baden-Württemberg, Utz Claassen, hat Klage beim Landgericht Karlsruhe eingereicht, weil ihm das neue EnBW-Management seit Anfang des Jahres das "Übergangsgeld" von jährlich 400.000 Euro gestrichen hat. Mit der fürstlichen Abfindung war ihm 2007 der "freiwillige" Abgang versüßt worden. Sie sollte unbefristet solange gezahlt werden, bis er mit 63 Jahren Anspruch auf die EnBW-Pension in gleicher Höhe haben würde, die er sich bereits bei seinem Amtsantritt ausbedungen hatte. Allerdings sollte sie anteilig gekürzt bzw. gestrichen werden, falls er einen neuen bzw. höher dotierten Posten antreten würde (070803).

Da Claassen seit Jahresbeginn für den amerikanischen Finanzinvestor Cerberus arbeitet, wollte nun die EnBW seine neuen Einkünfte auf das "Übergangsgeld" anrechnen. Claassen weigerte sich jedoch, überhaupt Auskunft zu geben. Er beruft sich darauf, daß in dem damals geschlossenen Aufhebungsvertrag nur von Gehalt, Tantiemen oder Ruhegehalt aus anderweitiger Tätigkeit die Rede sei. Er stehe aber nicht auf der Gehaltsliste von Cerberus, sondern sei für den Finanzdienstleister als selbständiger Unternehmensberater tätig.

Der frühere EnBW-Chef Utz Claassen (auf diesem Bild noch ohne Bart mit dem frisch verliehenen "Kreuz des Ordens des Heiligen Nikolaus" um den Hals).
Pressefoto EnBW

Vermutlich hat Claassen bereits beim Abschluß des Aufhebungsvertrags auf die Wortwahl geachtet, um die stattliche Frühpension, die schon damals viel Unmut erregte, auch bei Aufnahme einer neuen Tätigkeit weiterhin kassieren zu können. Das Gericht wird nun entscheiden müssen, ob er mit dieser scholastischen Spitzfindigkeit durchkommt oder ob sein neuer beruflicher Status als selbständiger Berater nur eine juristische Fiktion ist, um sich weiterhin auf Kosten der Stromverbraucher bereichern zu können.

Claassen ließ Mitarbeiter und Aufsichtsräte bespitzeln

Während seiner Amtszeit hat Claassen Mitarbeiter und Aufsichtsräte der EnBW überwachen lassen. Er wollte auf diese Weise herauszufinden, wie immer wieder Internas in die Medien gelangten. Wie die "Stuttgarter Zeitung" (17.3.) jetzt berichtete, war der Auslöser dafür die EnBW-Aufsichtsratssitzung am 8. Dezember 2005, in der die Spannungen zwischen Claassen und dem Großaktionär EDF eskaliert waren. Das Blatt hatte damals unter der Überschrift "Bei Cola und Schokoriegeln pokert Claassen um seinen Job" (12.12.05) den Krach hinter verschlossenen Türen an die Öffentlichkeit gebracht. Claassen hatte daraufhin noch am selben Tag dementiert, daß er mit seinem Rücktritt gedroht habe und zugleich angekündigt, er werde "geeignete rechtliche Schritte einleiten, um solchen Indiskretionen aus dem Aufsichtsrat künftig vorzubeugen".

Die EnBW bestätigte jetzt dem Blatt auf Anfrage, daß auf Anweisung Claassens bei verschiedenen Verdächtigen die Telefongespräche und die elektronische Post überwacht wurden. Es sei dabei aber nicht um die Inhalte der Kommunikation gegangen, sondern nur um die Feststellung der Kontaktpersonen. Dies sei nach dem Datenschutzgesetz beim Verrat von Geschäftsgeheimnissen zulässig. Anders als bei der Telekom oder der Bahn habe es auch keine großflächigen Kontrollen gegeben. Der neue EnBW-Vorstand unter Hans-Peter Villis habe selber die Initiative zur Aufklärung ergriffen und eine Anwaltskanzlei damit beauftragt, die eigenen Überwachungsmaßnahmen seit 2005 zu untersuchen.

Bereits vor dieser Kontrollaktion hatte Claassen ehemalige leitende Angestellte, mit denen er im Zwist lag, durch Detektive überwachen lassen. Neben dem entlassenen technischen Leiter des Kernkraftwerks Neckarwestheim (041213) soll dazu auch sein Amtsvorgänger Gerhard Goll gehört haben (050303).

Die Spannungen zwischen Claassen und dem Großaktionär EDF hatten übrigens ihre Hauptursache darin, daß die EnBW nach dem Geschmack der Franzosen noch immer zu wenig Gewinn abwarf. Als Claassen im folgenden Jahr mehr Geld nach Paris überwies, wurde er mitsamt dem Karlsruher EDF-Statthalter Pierre Lederer prompt zum "Ritter im Nationalen Orden der Ehrenlegion" ernannt (061120). Die Franzosen übertrumpften mit dieser famosen Würde noch die Russen, die Claassen mit dem "Kreuz des Ordens des Heiligen Nikolaus" ausgezeichnet hatten (050712). Im Jahre 2007 erreichte das Verhältnis allerdings wieder einen Tiefpunkt, weil die EDF dem EnBW-Chef nunmehr strategische Erfolglosigkeit vorwarf und ihm bei dieser Gelegenheit auch die "Kultur des Mißtrauens und der Intrige" ankreidete, die Claassens Amtsführung von Anfang an geprägt hatte. Vor diesem Hintergrund kam es dann zum angeblich freiwilligen Verzicht des EnBW-Chefs auf eine Vertragsverlängerung und zur Aushandelung der fürstlichen Frühpension (070606).

Links (intern)