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Maschinenhaus und Kesselhaus des Städtischen Elektrizitätswerks Dortmund 1897. Es versorgte bald auch den Landkreis mit Strom und wurde so zum Überlandwerk. Ab 1925 gehörte es zum Kraftwerkspark der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW), die damals von westfälischen Kommunen zur gemeinsamen Stromversorgung gegründet wurden und sich zu einem der deutschen Verbundunternahmen entwickelten.

Am Anfang waren die Stadtwerke

Im Jahr 1866 entdeckte Werner Siemens das Dynamo-Prinzip, mit dem sich erstmals in großem Umfang elektrische Energie erzeugen ließ. Die Nutzung dieses Prinzips blieb aber vorerst privater Initiative überlassen. Wer Strom haben wollte, mußte ihn selbst erzeugen, indem er einen Dynamo mit einer Dampfmaschine oder einem Wasserrad koppelte. Bis ins 20. Jahrhundert gab es viele solcher privaten Klein-Kraftwerke. Parallel dazu entstanden ab 1884 die ersten städtischen Elektrizitätswerke zur Versorgung von Haushalten und Gewerbe. Ihre inselförmigen Versorgungsnetze wurden meistens mit Gleichstrom betrieben und waren deshalb auf einen sehr kleinen Radius um das Elektrizitätswerk beschränkt. Strom war damals noch sehr teuer und diente fast ausschließlich der Beleuchtung.

Die ältesten deutschen Stromversorger sind daher immer Stadtwerke oder aus solchen hervorgegangen. Die prominentesten Beispiele solcher Unternehmen sind die Bewag in Berlin (1884), die HEW in Hamburg (1894) und das RWE in Essen (1898).

Neben der öffentlichen Stromversorgung gab es anfangs noch viele private "Blockstationen", die z.B. einem Warenhaus oder einem Häuserblock zu elektrischer Beleuchtung verhalfen. Diese Abbildung zeigt Deutschlands erste Blockstation 1884 in Berlin: Sie versorge einen Häuserblock an der Friedrichstraße/Ecke unter den Linden, zu dem das berühmte Cafe Bauer sowie ein paar Läden und Restaurants gehörten. Die Generatoren lieferten 100 Kilowatt Gleichstrom mit einer Spannung von 100 Volt. Im selben Jahr wurden die Berliner Elektrizitätswerke gegründet (später Bewag), die 1885 in der nahe gelegenen Markgrafenstraße das erste städtische Kraftwerk Deutschlands in Betrieb nahmen. Die leistungsfähigen kommunalen Kraftwerke verdrängten dann die privaten Blockstationen.

Überlandzentralen schlossen die Lücken

Um auch die ländlichen Gebiete und kleinere Gemeinden zu elektrifizieren, entstanden etwas später die sogenannten Überlandzentralen, die mit Wechselstrom eine flächendeckende Versorgung ermöglichten. Diese Überlandwerke traten aber auch in Konkurrenz zu den Stadtwerken, und manche Gemeinde gab Anfang des 20. Jahrhunderts die eigene Stromerzeugung völlig auf, um sich vom nächsten Überlandwerk beliefern zu lassen. Damit verbunden war oft die Umstellung von Gleichstrom auf Wechselstrom. Bald verflochten städtische Netze mit denen von Überlandzentralen. So entstand über den Stadtwerken eine zweite Ebene der Stromversorgung, aus der die heutigen Regionalversorger hervorgingen.

Die Herausbildung der Verbundebene

Nach dem ersten Weltkrieg zeichnete sich eine dritte Ebene der Stromversorgung ab, die auch die Netze der Regionalversorger landes- und reichsweit verknüpfte. So gründeten Bayern und Baden 1921 eigene Gesellschaften für die landesweite Elektrizitätsversorgung. 1925 entstanden aus der Verschmelzung mehrerer kommunaler Überlandwerke die "Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen" (VEW). Der preußische Staat bündelte 1927 seine Strominteressen in der "Preußischen Elektrizitäts AG". Das RWE begann Mitte der zwanziger Jahre mit dem Bau einer "Verbundleitung" für 220 Kilovolt, um die Kohlekraftwerke des rheinischen Reviers mit dem Wasserkraftwerken der Alpen zu verbinden. Die reichseigenen Elektrowerke im mitteldeutschen Braunkohlenrevier verfolgten ein ähnliches Projekt. Am Ende entstand eine das ganze Reich durchziehende "Sammelschiene" für 220 Kilovolt, welche die 110-Kilovolt-Leitungen der Landesversorgungen überlagerte, sie miteinander verknüpfte und zum heutigen Verbundsystem wurde. Und so wie früher die Überlandwerke die Eigenstromerzeugung der Stadtwerke zurückgedrängt hatten, so drängten nunmehr die Verbundunternehmen mit ihren leistungsfähigen Großkraftwerken die Eigenstromerzeugung der Regionalversorger zurück.

Wie man sieht, haben Kommunen, Gebietskörperschaften, Länder und Reich die Entwicklung der Elektrizitätsversorgung in vielfältiger Weise beeinflußt. Die weitaus meisten Unternehmen der Stromversorgung befanden sich im Besitz der öffentlichen Hand oder waren gemischtwirtschaftliche Unternehmen. Darin kam das starke staatliche Interesse an einer sicheren und preiswerten Stromversorgung zum Ausdruck.

Konzessions- und Demarkationsverträge

Trotz des von Anfang an dominierenden Einflusses der öffentlichen Hand entwickelte sich die Elektrizitätswirtschaft zunächst im privatwirtschaftlichen Rahmen. Den Unternehmen wurden also keine rechtlichen Privilegien wie Post und Staatsbahn zugestanden. Auch die Herausbildung geschlossener Versorgungsgebiete erfolgte sozusagen naturwüchsig durch die technischen Besonderheiten der Stromversorgung, wobei die Versorger ihr faktisches Netzmonopol allerdings zusätzlich durch den Abschluß von Konzessions- und Demarkationsverträgen absicherten:

- Die Städte besaßen durch das Wegerecht für die Verlegung von Leitungen ein Monopol, das sie entweder selber nutzen oder gegen Zahlung einer "Konzessionsabgabe" einem anderen Stromversorger überlassen konnten.

- Die großen Regionalversorger und späteren Verbundunternehmen sicherten sich ihre Versorgungsgebiete ebenfalls privatrechtlich durch sogenannte Demarkationsverträge mit den potentiellen Konkurrenten.

Nach einer Phase teilweise heftiger Auseinandersetzungen kehrte deshalb Ruhe an den Grenzen der Versorgungsgebiete ein und es fanden keine wesentlichen Verschiebungen mehr statt.

Dreistufiges System der Stromversorgung

Eine der ersten Dampfturbinen, die Anfang des 20. Jahrhunderts die Kolben-Dampfmaschinen in den Kraftwerken ablösten.

So entwickelte sich in Deutschland ein dreistufiges System der öffentlichen Stromversorgung: Die Verbundunternehmen waren für die Großstromproduktion, das Transportnetz und die Frequenzhaltung zuständig. Die Regionalversorger übernahmen die flächendeckende Verteilung. Die Stadtwerke schließlich brachten den Strom dort bis zur Steckdose, wo auf diesem Sektor weder ein Verbundunternehmen noch ein Regionalversorger tätig war. In geringerem Umfang fand eine Stromerzeugung auch auf den beiden unteren Ebenen statt. Die Betätigungsfelder von Verbundunternehmen, Regionalversorgern und Stadtwerken waren also nicht ganz säuberlich getrennt, sondern überschnitten sich teilweise.

Freistellung vom Kartellverbot

Das 1957 erlassene Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen respektierte die besondere Situation der Stromwirtschaft, indem es die Gebietsschutzverträge der Stromversorger ausdrücklich vom Kartellverbot freistellte. Ersatzweise unterlagen die Stromversorger dafür einer besonderen "Mißbrauchtsaufsicht" durch die Kartellbehörden.

Erst die 1998 in Kraft getretene Liberalisierung des Strommarkts beseitigte die Zulässigkeit von Demarkationsvertragen und exklusiven Konzessionsverträgen. Zugleich verpflichtete es die Netzbetreiber, ihre Netze auch anderen Stromanbietern für die Belieferung von Kunden zur Verfügung zu stellen. Der nun einsetzende Wettbewerb veränderte die deutsche Stromwirtschaft binnen weniger Jahre stärker als in Jahrzehnten zuvor (siehe SB 115 Stromwirtschaft im Wettbewerb). Dennoch hat sich die hier skizzierte dreistufige Gliederung in Verbundunternehmen, Regionalversorger und Stadtwerke bis heute im wesentlichen erhalten.

Zunächst wurden die Generatoren (links) noch von Kolbendampfmaschinen angetrieben, wobei man die anfänglichen Niederdruck-Maschinen bald durch Hochdruck-Maschinen ersetzte. Mit der Überhitzung des Sattdampfs zu hochgespanntem Heißdampf wurde eine weitere wesentliche Verbesserung erzielt. Ferner ging man dazu über, den Dampf mehrfach zu nutzen, z.B. in einer Dreifach-Expansionsmaschine mit Hoch-, Mittel- und Niederdruckzylinder. Trotz all dieser Verbesserungen lag der Wirkungsgrad von Dampfkraftwerken zu Anfang des 20. Jahrhunderts nur bei wenigen Prozent.