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Der Dampferzeuger für das Heizkraftwerk Herne IV bei der Montage (links) sowie nach der Fertigstellung von außen (Mitte) und innen (rechts). Das Bauwerk enthält einen turmhohen Benson-Kessel. In diesem Kessel wird das Speisewasser im "Zwangsdurchlaufverfahren" durch ein Röhrensystem gepumpt, wobei es alle Stadien vom flüssigen Aggregatzustand bis zum Heißdampf durchläuft. Auf dem Bild rechts sieht man den Feuerraum mit dem Röhrensystem, durch welches das Speisewasser zirkuliert. In den Öffnungen in den Wänden des Feuerraums befinden sich spezielle Brenner, die dafür sorgen, dass der Brennstoff Kohlenstaub unter reichlicher Luftzufuhr verbrannt wird.

Der einfache Wasserkessel hat längst ausgedient

In der Praxis sind moderne Dampferzeuger weit komplizierter, als das einfach anmutende Prinzip des Wasserkessels über dem Feuer vermuten läßt. Gewöhnlicher Wasserdampf, wie ihn vor über zweihundert Jahren James Watt für die ersten Dampfmaschinen benutzte, besitzt nur eine geringe Arbeitsfähigkeit, weil seine Temperatur kaum über hundert Grad und sein Druck kaum über dem atmosphärischen Druck der Umgebung liegt. Um die Leistung von Dampfmaschinen zu erhöhen, mußte die Arbeitsfähigkeit des Dampfes gesteigert werden. Und dies war wiederum nur möglich, wenn der Dampf mit wesentlich höheren Temperaturen und Drücken in die Maschine strömte. Dies war den Technikern spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts klar.

Zunächst wurden die kupfernen Wasserkessel von eisernen Kofferkesseln abgelöst, denen zylindrische Stahlkessel folgten. Dann begann man, in den Kessel Rauch- bzw. Flammrohre einzuziehen, damit die Rauchgase bzw. die heißen Flammen des Feuers das Wasser besser erwärmen konnten. Schließlich wurde das ganze Prinzip umgestülpt, indem man den Kessel zum Feuerraum machte und mit zahlreichen Wasserrohren durchzog, die von Flammen, Rauchgasen und Strahlungswärme noch intensiver erhitzt werden konnten. Diese Anordnung ist bis heute beibehalten und weiter perfektioniert worden.

Die Kohle, deren Feuer den Kessel erwärmte, wurde anfangs auf einem einfachen Rost verbrannt. Später erfand man mechanisch bewegte Roste, welche die Kohle so durch den Feuerraum beförderten, daß der Brennstoff besser genutzt wurde. Eine weitere wichtige Verbesserung brachte die Befeuerung mit Kohlestaub, der in den Feuerraum eingeblasen und bei exakt dosierter Luftzufuhr verbrannt wird. Bei der "Wirbelschichtfeuerung" wird der Kohlestaub während der Verbrennung durch Preßluft in der Schwebe gehalten. Dadurch gestaltet sich die Ausnutzung des Brennstoffs besonders effektiv. Bei der "zirkulierenden Wirbelschichtfeuerung" werden die Kohleteilchen in diesem Schwebezustand gleich mehrfach durch den Feuerraum gewirbelt.

Neben diesen Fortschritten bei der Feuerung war es vor allem die Technik der "Überhitzung", mit der die Arbeitsfähigkeit des Dampfes entscheidend gesteigert werden konnte. Dabei wird der "Sattdampf", der sich aus dem siedenden Wasser bildet, getrennt von der Flüssigkeit weiter erhitzt. Andernfalls würde nämlich jede weitere Wärmezufuhr keine Temperaturerhöhung bewirken, sondern nur vermehrte Dampfbildung. Außerdem kondensiert Sattdampf schon bei geringen Druckverlusten bzw. Volumenvergrößerungen teilweise wieder zu flüssigem Wasser. Wenn man ihn jedoch abtrennt und erneut durch die Rauchgase schickt, gewinnt er zusätzlich an Temperatur. Entsprechend steigt seine Arbeitsfähigkeit. In der Sprache der Techniker wird der ursprünglich gesättigte Dampf per Überhitzung in "Heißdampf" verwandelt, wobei seine "Enthalpie" zunimmt.

Blick in die Brennkammer eines 770 MW-Dampferzeugers

(Bild zum Vergrößern anklicken)

Im Benson-Kessel verwandelt sich Wasser sukzzessive in Heißdampf

Die Dampferzeuger von heutigen Wärmekraftwerken sind turmhohe, komplizierte Gebilde, denen man die Abstammung vom einfachen Kessel über dem Feuer kaum noch ansieht. Ihr Feuerraum ist mit einer Vielzahl von wasserdurchflossenen Röhren ausgekleidet. Dieses Rohrsystem wird als Verdampfer bezeichnet, da in ihm die eigentliche Dampfbildung durch die Wärme der Flammen und der heißen Rauchgase stattfindet. Der in den Röhren entstehende "Sattdampf" wird durch den "Überhitzer" auf eine höhere Temperatur gebracht. Die Restwärme der Rauchgase kann anschließend verwendet werden, um das Speisewasser für den Dampferzeuger bis fast zum Siedepunkt zu erhitzen und die Luft vorzuwärmen, die zusammen mit dem Brennstoff in den Feuerraum geblasen wird.

Bei vielen modernen Wärmekraftwerken ist der Dampferzeuger so konstruiert, daß das Röhrensystem die meisten der hier geschilderten Funktionen übernimmt (Benson-Kessel). Es sind also keine besonderen Vorrichtungen für die Erzeugung des Sattdampfes und dessen anschließende Überhitzung nötig. Vielmehr durchläuft das Speisewasser bei Drücken von über 221,2 bar - also "überkritischen" Drücken (siehe S. 3) - nacheinander und stetig alle Stadien dieses Prozesses. Am Ende hat der Dampf, wenn er in modernen großen Kraftwerken den Turbinen zugeführt wird, Drücke um 250 bar und Temperaturen um 540 Grad Celsius.