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Gaslicht erhellt das 19. Jahrhundert

New Yorker Broadway mit Gaslampen 1881
 

 

Die Geschichte der Gasversorgung beginnt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie ist somit einige Jahrzehnte älter als die der Stromversorgung, die erst Ende des 19. Jahrhunderts einsetzt. Treibende Kraft war aber bei beiden dasselbe Bedürfnis: Man wollte nicht mehr im Dunkeln sitzen und gezwungenermaßen schlafen gehen, wenn die Sonne untergegangen war.

Natürlich ließ sich schon seit langem die Dunkelheit etwas vertreiben, indem man Kienspäne oder Kerzen anzündete. Neuerdings gab es auch Lampen, die mit Rüböl oder Spiritus betrieben wurden. Diese Lichtquellen waren aber ziemlich unergiebig. Sie lieferten nur wenig Helligkeit. Sie mußten nachgefüllt und beaufsichtigt werden. Außerdem waren sie so teuer, daß der Großteil der Bevölkerung äußerst sparsam mit ihnen umgehen mußte.

Die ersten deutschen Städte mit Gasbeleuchtung sind Hannover und Berlin


Aufstellung einer Gaslaterne in Berlin 1890

Das Licht von Gasflammen war nicht nur heller, sondern auch einfacher zu handhaben. Zudem eignete es sich gut für die Beleuchtung von Straßen und öffentlichen Gebäuden. Im Jahre 1807 wurde als erste Straße versuchsweise die "Pall Mall" in London auf einer Seite mit Gaslampen beleuchtet. 1819 gab es in London bereits 486 Kilometer Gasleitungen, die über 50.000 Brennstellen versorgten. 1822 erhielt die Pariser Oper als erstes Theater auf dem Kontinent eine Gasbeleuchtung.

In Deutschland war 1825 Hannover die erste Stadt, die eine Gasanstalt mit Straßenbeleuchtung vorweisen konnte. Ein Jahr später wurde auch Berlins Prachtstraße "Unter den Linden" von Gaslaternen erhellt. 1828 folgten Dresden und Frankfurt, 1838 Aachen und Leipzig. 1850 verfügten bereits 26 deutsche Städte über Gasanstalten, darunter Stuttgart, Hamburg, Breslau, Düsseldorf, München und Mannheim.

Diese Gasanstalten erzeugten ein mit leuchtender Flamme brennendes Gasgemisch, das gemäß seinem Verwendungszweck als "Leuchtgas" bezeichnet wurde. Im Normalfall wurde dieses Leuchtgas, das vor allem aus Wasserstoff, Methan und Kohlenoxyd bestand, durch Erhitzen von Steinkohle unter Luftabschluß gewonnen. Durch die Entgasung verwandelte sich die Steinkohle in Koks, der für Heizzwecke weiter verwendet wurde. Mitunter dienten auch Braunkohle, Holz, Torf und andere organische Verbindungen als Rohmaterial für die Vergasung.

Gasometer dienen als Speicher- und Druckbehälter

Das so erzeugte Gasgemisch wurde dann - nachdem es von Teer, Ammoniak, Schwefelwasserstoff und anderen unerwünschten Beimengungen gereinigt worden war - in einen großen Behälter geleitet. Im unteren Teil bestanden diese Behälter aus einer Art Tasse, die mit Wasser gefüllt war, im oberen Teil aus einer blechernen Glocke, die das erzeugte Gas aufnahm und je nach Füllstand mehr oder weniger tief in das Wasser eintauchte. Wenn mehr Gas verbraucht als erzeugt wurde, senkte sich der obere Teil des Behälters tiefer in das Wasser. Wenn die Erzeugung größer war als der Verbrauch, hob er sich und nahm das überschüssige Gas auf. Die stählerne Glocke, die auf Rollen an einem Gerüst entlanglief, lastete so immer auf dem Gas und drückte es mit ihrem Gewicht in die Verbrauchsleitungen.

Gasometer in Schlieren (Schweiz)
Ummauerter Gasometer in Zwickau

Das Prinzip der Tauchglocke war schon seit Jahrzehnten aus den Laboratorien bekannt, wo es zur Speicherung und Messung kleiner Gasmengen verwendet wurde. Der französische Chemiker Lavoisier, der es 1789 als erster beschrieb, prägte dafür den Ausdruck "gazomètre". Wahrscheinlich war das der Grund, weshalb nun die Gasbehälter als "Gasometer" bezeichnet wurden, obwohl sie eigentlich nur der Speicherung dienten. Allerdings hatten sie an ihrer Stirnseite oft einen großen Zeiger, der auf einem Ziffernblatt den Füllstand anzeigte. Insofern war diese volkstümliche Bezeichnung doch ganz anschaulich.

Bei größeren Gasbehältern bestand die Tauchglocke oft aus mehreren Wandungen, die sich teleskopartig in- und auseinanderschoben. MItunter ummauerte man die stählernen Konstruktionen, um ihnen ein gefälligeres Aussehen zu geben oder sie besser vor dem Wind zu schützen. Später gab es neben den "nassen" auch "trockene" Behälter, in deren Innern eine mit Teer abgedichtete Scheibe sich je nach Gasstand hob und senkte. Wie bei den ummauerten Behältern konnte man hier von außen den Füllstand nicht an der Höhe des "Deckels" erkennen. Während die Tauchglocken einen wechselnden Druck erzeugten, blieb er bei den Scheiben-Behältern immer gleich.

Luftaufnahme der städtischen Gaswerke Augsburg 1932. Rechts zwei Gasometer.

Solche Gasometer, die gleichzeitig der Speicherung wie der Druckerzeugung dienten, gehörten mehr als hundert Jahre lang zum Ortsbild von Städten mit eigener Gasversorgung. Es gab sie naturgemäß nur dort, wo ein hinreichender Bedarf durch Haushalte, Gewerbe und Industrie bestand. Man fand sie deshalb kaum in Kleinstädten und schon gar nicht auf dem flachen Land. Sie signalisierten Größe, Bedeutung und industriellen Fortschritt. Die imposantesten standen in Hauptstädten wie Berlin und Wien, wo man sich teilweise viel Mühe gab, ihnen ein architektonisch ansprechendes Äußeres zu geben. Diese Gasometer glichen dann eher einem antiken Rundbau als einer technischen Einrichtung.